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"Patient*innen sollen glücklich sein."

Die Pumpentherapie kann auch die Lebensqualität verbessern.

Univ.-Prof. Dr. Irene Lang, MD, Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin ist Leiterin der Ambulanz für Lungenhochdruck am Wiener AKH und spricht über ihre Erfahrungen mit der Pumpentherapie bei PH bzw. PAH.

Wir brauchen von unseren Patient*innen eine Art Glaubensbekenntnis: Ich möchte mit meiner Pumpentherapie, mit meinem Betreuer, meiner Betreuerin, mit meinen Technologien und mit meinen Medikamenten mein Leben meistern.

Univ.-Prof. Dr. Irene Lang, MD

Fachärztin | Wiener AKH

 

PAH entwickelt sich schleichend

 

Pulmonale Hypertension (PH) ist eine seltene Erkrankung, die einmal pro Million Einwohner in Österreich diagnostiziert wird. Die reine Form, idiopathische pulmonal-arterielle Hypertension (iPAH), betrifft vor allem junge Frauen bis zum 40. Lebensjahr ohne Begleiterkrankungen. Bei dieser Erkrankung haben Patient*innen einen überdurchschnittlich hohen Blutdruck in den Lungenarterien (≥ 25 mmHg; der Normalwert ist unter 20 mmHg). Dadurch werden die Wände der Arterien, die Blut zur Lunge transportieren, dick und verengen sich (= Remodeling). Das Herz hat im Lauf der Zeit immer größere Schwierigkeiten, Blut in die Lunge zu pumpen. Eine Vergrößerung der rechten Herzkammer (Ventrikel) ist die Folge.

 

PAH ist schwer zu diagnostizieren und meistens erst in einem späten Stadium zu erkennen, weil Patient*innen oft jahrzehntelang keine Beschwerden und nur wenige klinische Symptome haben. Diese seltene Erkrankung ist chronisch und entwickelt sich schleichend über die Jahre.

Welche Rolle spielen Infusionspumpen bei PAH?

 

PAH-Patient*innen haben im Allgemeinen einen Mangel an Prostaglandinen (auch: Prostacycline; Gewebshormone, die für die Erweiterung von Blutgefäßen verantwortlich sind, die so genannte Vasodilatation). In der Therapie wird dieser Mangel ausgeglichen, allerdings werden Prostacycline oral über Tabletten nur schwer vom Körper aufgenommen. Daraus hat sich die Notwendigkeit von intravenösen und subcutanen Pumpensystemen ergeben (= parenterale Therapie, die direkt über Blutgefäße verabreicht wird).

Die Tabletten lassen zwar mehr Freiraum im Leben, aber sind in der Nacht kein so guter Schutz wie die parenterale Infusion.

Univ.-Prof. Dr. Irene Lang, MD

Fachärztin | Wiener AKH

Parenterale Therapien sind gut steuerbar, sie sind titrierbar (= tropfenweise abmessbar) ohne Dosislimit, und sie haben wenig Interaktionen mit anderen Medikamenten, was bei oralen Therapien zu beachten ist. Prostacycline sind außerdem kombinierbar mit allen anderen Lungenhochdruck-Medikamenten. Die Erfahrung zeigt, dass wir eine Kombination mehrerer Wirkprinzipien einsetzen müssen, dazu gehört das parenterale Prostacyclin plus-minus drei Monate. 

Die Pumpentherapie ist die einzig gangbare für parenterale Therapien, die einen – klinisch gefühlten – höheren Effizienzgrad besitzen. Die 24-Stunden-Applikation bietet langfristig die Chance auf ein Remodeling.

Die Pumpentherapie ...

 

  • Gut steuerbar
  • Titrierbar, kein Dosislimit
  • Wenig Arzneimittel-Wechselwirkungen

... und Herausforderungen 

 

Die größte Herausforderung ist die parenterale Applikation, die über eine subkutane (= unter der Haut) Katheter-Führung erfolgen muss. Dabei kann es zu Nebenwirkungen kommen, z.B. verursacht Prostacyclin Rötungen auf der Haut. 

Und es gibt ein generelles Missverständnis in der Lungenhochdrucktherapie: Viele Patient*innen glauben, man bürdet sich mit einer parenteralen Therapie eine Last auf, die man nicht unbedingt tragen müsste. Schließlich gibt es auch Tabletten. Aber meistens ist die Krankheit so schwerwiegend, dass man sowohl Tabletten als auch die parenterale Therapie braucht. Die Tabletten sind nicht als Ersatz gedacht. 

In der Medizin sind drei Monate wichtig. Drei Monate ist die Zeit, die das Herz nach einem Infarkt braucht, um sich zu remodeln. In drei Monaten kann sich ein Umbau vollziehen, wenn er passiert. Wenn er nicht passiert, ist Kampfstimmung angesagt für die Therapeut*innen.

Univ.-Prof. Dr. Irene Lang, MD

Fachärztin | Wiener AKH

Die Erfahrung zeigt, dass wenn innerhalb von drei Monaten nach einer Therapieeinstellung eine klinische Verschlechterung eintritt, dann ist das mit einem Verlust an Überlebensjahren verbunden.

Pumpentherapie ist Teamwork

 

Der erste wichtige Aspekt bei der Pumpentherapie ist: „Sind meine Patient*innen mit ihrer Therapie glücklich?“ Patient*innen, die nicht glücklich sind, drehen die Pumpe ab. Meistens müssen wir dann eine andere Lösung finden und meistens haben diese Patient*innen schlechtere Überlebenschancen. Die Patient*innen sollen glücklich sein, das ist das Erste.

 

Der zweite wichtige Aspekt ist die regelmäßige Kontrolle und Selbstverwaltung. Patient*innen müssen die Pumpe betreiben und verstehen. Sie müssen Hygienestandards einhalten, ihre Dosis kennen, ihre Medikamente bestellen undüber ihre Reservoirs Bescheid wissen. Dazu ist eine Managementfunktion notwendig. Patient*innen müssen dabei eine gewisse medizinische Lernkurve durchmachen. Sie müssen verstehen, was es heißt, wenn sie Atemnot haben, einen roten Kopf haben oder blass sind. 
Das ist bei älteren Patient*innen manchmal nicht möglich. Diese brauchen eine Krankenschwester oder eine Pflegekraft. Und diese Person muss dann auch da sein, Care ist alles. Es ist ein Eintritt in eine Gemeinschaft der parenteralen Therapeut*innen und Patient*innen. Es ist ein Glaubensbekenntnis: Ich möchte mit meiner Pumpentherapie, mit meinen Betreuer*innen, mit meinen Technologien, mit meinen Medikamenten mein Leben meistern. Manche machen das vollkommen selbstständig, bestellen sich ihre Sachen selbst und managen alles. Andere brauchen dazu institutionalisierte, vertrauenserweckende und stabile Betreuung. Nichts ist für diese Gruppe schlimmer, als wenn die Betreuung wechselt. Das ist eine Katastrophe, die oft zu Therapieabbrüchen führt. 

 

Der dritte Aspekt ist der Kontakt mit dem Zentrum. Das Zentrum ist nicht immer gleichzusetzen mit dem sogenannten "Glaubensbekenntnis Pumpentherapie". Das Zentrum ist dem übergeordnet, steuert und gibt Zugang zu neuesten Therapien. Es wird sich hier auch immer etwas ändern, weil wir ständig nach Neuem suchen.

Darauf sollten Ärzt*innen achten

 

  • Glückliche Patient*innen
  • Regelmäßige Kontrolle und Selbstverwaltung
  • Laufender Kontakt mit dem Zentrum

Darauf sollten Patient*innen achten

 

  • Hygienestandard einhalten
  • Über Dosis und Reservoirs Bescheid wissen
  • Managementfunktion
Care ist alles.

als Care giver immer im einsatz

Lesen Sie hier unsere

Care Giver Story

Für wen ist die Pumpentherapie nicht geeignet?

 

  • Patient*innen mit drogeninduzierter PAH im Rahmen eines Suchtgiftmissbrauchs

Denn die Grundvoraussetzung für so eine komplexe Therapie ist eine gut etablierte Sozialstruktur. Manchmal ist es unmöglich, so eine Therapie zu installieren. Es ist für mich die größte Herausforderung, weil oft sehr junge Patient*innen für eine solche Behandlung gar nicht Frage kommen.  

  • Schwierig ist die parenterale Therapie auch bei sehr alten Patient*innen, die wiederum diszipliniert und durch einen Care Giver gut führbar sind.
Wir brauchen staatliche Forschungsfinanzierungen und Kooperationen mit der Industrie: für alle, die im Bereich Lungengefäßerkrankung forschen wollen, mit guten Konzepten und klinischen Studien. Wir brauchen innovative Forschungskonzepte, um klinische Studien zu führen.   

Univ.-Prof. Dr. Irene Lang, MD

Fachärztin | Wiener AKH

Forschung & Innovation